DANGEROUS SUMMER

Foto© by Bottom Lounge Promos

Weniger ist mehr

Die Band aus Ellicott City, Maryland hat eine bewegte Geschichte und war Teil der Emo-Szene der frühen Zweitausender. Ob das heute noch Einfluss auf sie hat und mit welchen Einschränkungen sie sich freiwillig auseinandergesetzt haben, besprechen wir mit Bassist und Sänger AJ Perdomo.

Gravity“ heißt euer neues Album, das im Juni erscheint. Da habe ich mich gefragt, ob du manchmal das Gewicht der Band mit all ihren Hochs und Tiefs auf deinen Schultern spürst?

Das tue ich wirklich, das Gewicht von allem. Aber das ist ein grundlegender Teil des Lebens, und um auf diesem Planeten zu existieren, spüren wir alle die Schwerkraft. Das ist etwas, das nie verschwinden wird, weil es uns auch große Kraft gibt. Wenn sich alles leicht anfühlen würde, dann wäre es schwer, Erfolg zu haben. Die Band hat im Laufe der Jahre einige Höhen und Tiefen sowie Mitgliederwechsel erlebt. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen, aber es ist wie im richtigen Leben. Es gibt keine gerade Linie nach oben oder zum Ziel. Es läuft eher wie an der Börse. Man erreicht Höchststände und fällt auf neue Tiefststände, nur um dann wieder zu neuen Höhenflügen anzusetzen.

Deine Band gibt es jetzt seit fast zwanzig Jahren, mit einer kleinen Unterbrechung. Ihr wart dabei, als der Hype um all diese Emo-Bands am verrücktesten war. Heute seid ihr als Musiker und als Menschen gereift. Mit welchem Gefühl blickst du auf eure Geschichte und eure Alben von damals zurück?
Es ist alles ziemlich surreal. Wir haben von 2013 bis 2017 eine Pause gemacht – und in diesen vier Jahren hat sich die ganze Szenerie verändert. Emo und Pop-Punk hatten ein neues Leben bekommen. Was wir als Erstes gemacht haben nach der Pause, war eine ausverkaufte UK-Tour mit der Band MOOSE BLOOD, die sehr populär wurde und uns als einen ihrer prägenden Einflüsse bezeichnete. Es war erstaunlich, zu den Fanfaren und so was wie den „Emo-Nights“ zurückzukehren. In den frühen Tagen war es bedeutend einsamer, der Zuspruch war nicht so groß wie heute. Als wir unser klassisches Album „Reach For The Sun“ 2009 veröffentlicht haben, sind wir damit auch auf Tour gegangen. Doch es kam kaum jemand, wir waren echt eine kleine Nummer. Jetzt spielen wir Shows vor so viel mehr Leuten – und die erzählen uns dann, wie gut wir damals gewesen wären. Und ich sage nur: „Na ja, dann hättet ihr mal kommen sollen ...“ Damals war ja keiner da. Die Dinge werden einfach besser und das Leben wird immer besser. Das ist etwas, das sie einem in der Schule nicht beibringen, das erkennt man erst mit dem Alter.

Viele Bands von damals tun sich schwer mit dem Background, aus dem sie kommen, sie haben sich entweder aufgelöst, veranstalten „Emo-Nights“ oder spielen ihre alten Hits auf Nostalgie-Veranstaltungen. Nur die wenigsten nehmen noch neue Musik auf. Was hältst du von diesen nostalgischen Events? Oder schaut ihr, als eine Band, die noch sehr aktiv ist, lieber in die Zukunft?
Ich liebe ehrlich gesagt diese Emo-Partys, und das hat unsere Karriere wirklich vorangetrieben. Ich denke, unsere alte Musik ist immer noch genauso ein Teil von uns wie die neuen Sachen. Ich habe mein Leben der Kreativität gewidmet. Ich schaue zu den großen Vorreitern auf, wie Brandon Flowers, Caleb Followill, Bruce Springsteen. Die Geschichte, die ich erzähle, ist ja eine, die mein ganzes Leben umspannt. Und ich bin bereit, alles zu geben. Ob alte oder neue Musik, ist mir letztlich einerlei, für mich kommt es aber darauf an, ehrlich zu sein und mir selbst treu zu bleiben, aus tiefsten Herzen.

Ich habe gelesen, dass ihr euch selbst bestimmte Grenzen gesetzt habt. In dem Song „What’s an hour really worth?“ sind beispielsweise keine Becken zu hören, was mir beim ersten Hören gar nicht gleich aufgefallen ist. Was meinst du, wie haben dir diese Einschränkungen beim Songwriting geholfen?
Es gibt zwar ein paar Becken, aber wirklich nicht viel. Als wir bei der Bridge waren, haben wir angefangen, mehr über die Dynamik nachzudenken. Normalerweise würde ich ja schreien, um einen Part „groß“ zu machen, und der Schlagzeuger würde natürlich so hart wie möglich auf die Becken einschlagen. Aber wir haben uns mal gefragt, ob wir einen Part nicht auch groß machen können, indem wir uns auf das Songwriting stützen, anstatt auf den Lautstärkefaktor. Es ist wie im Leben: Wenn du mit jemanden Streit hast, kannst du anfangen herumzubrüllen. Brüllen ist effektiv, aber es gibt auch die Möglichkeit, Konflikte durch Reden zu lösen. Das ist vielleicht ein guter Weg, um bestimmte Ansichten zu ändern und eine Einigung zu finden.

Bist du auch schon mal an so einer Limitierung gescheitert, weil ein Song nicht richtig funktioniert hat? Ich finde ja, dass das eine sehr einzigartige und besondere Art ist, Musik zu schreiben, vor allem heutzutage, wo Musiker aufgrund der modernen Produktionsmethoden im Grunde überhaupt keine Grenzen mehr haben.
Ja, wir versuchen immer, uns welche zu setzen, selbst bei einem Song wie „Into the stratosphere“ – wir wollten die Struktur hinter uns lassen. Außerdem sollte sich jeder auf seine eigene Art einbringen, mit verschiedenen Instrumenten. Wir fordern uns selbst gerne heraus. Wenn man schon so lange Musik macht wie wir, ist es gut, das Ganze immer wieder neu und aufregend zu gestalten. Der Trick mit den Becken ist aber immer toll und wir haben versucht, den an verschiedenen Stellen des Albums einzusetzen.